Renate Spingler (Clotilde), Tigran Martirossian (Oroveso), Najmiddin Mavlyanov (Pollione), Barno Ismatullaeva (Norma), Giampaolo Bisanti (musikalische Leitung), Karine Deshayes (Adalgisa), Seungwoo Simon Yang (Flavio), dahinter der rotgewandete Chor (Foto: RW)
Die als Norma besetzte usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva wurde im Laufe des Abends, und sie hatte viel zu singen, immer besser, vor allem dramatischer. Auch gelangen ihr schöne Passagen, aber ohne eigentlich durch ihren Gesang zur seelischen Vertiefung der Partie zu gelangen. Das mag aber auch an Bellini und nicht an Frau Ismatullaeva gelegen haben.
Staatsoper Hamburg, 25. April 2023
Norma, Oper von Vincenzo Bellini
Musikalische Leitung: Giampaolo Bisanti
Inszenierung: Yona Kim
Bühnenbild: Christian Schmidt
Kostüme: Falk Bauer
von Dr. Ralf Wegner
Bellinis Oper Norma habe ich in der Hamburgischen Staatsoper bisher zweimal gesehen, besser gesagt, konzertant gehört. In beiden Fällen hatten mit Montserrat Caballé und Edita Gruberova Königinnen des Schöngesangs die Partie der Norma übernommen und blieben wegen ihrer außergewöhnlichen Stimmen auch in Erinnerung. Jetzt wurde Norma in einer Bühnenfassung gegeben mit Sängerinnen und Sängern, die ihre Partien beherrschten und für ihre guten bis sehr guten, aber nicht exzeptionellen gesanglichen Leistungen vom Publikum langanhaltenden Beifall erhielten.
Leider standen keine Caballé oder Gruberova auf der Bühne, nicht einmal eine Anna Netrebko. Da sich die Ohren des Rezensenten nicht an einer außergewöhnlichen Tonemission festkleben konnten, wie es früher bei den erstgenannten Sopranistinnen der Fall gewesen war, fiel die Schwäche der Bellinischen Komposition umso mehr auf.
Inhaltlich handelt es sich bei der Oper Norma um eine durch Maria Callas’ Casta Diva-Interpretation berühmt gewordene langatmige Schmonzette, die nicht durch Dramatik, sondern nur durch exzeptionellen Schöngesang zu retten ist.
Worum geht es mehr als zweieinhalb Stunden lang? Um zwei Frauen, die denselben Mann lieben und dieses, zunächst, nicht voneinander wissen. Die gallische Priesterin Norma hat mit dem Römer Pollione zwei Kinder aus einem Liebesverhältnis. Pollione liebt aber mittlerweile eine andere Priesterin namens Adalgisa. Alles kommt raus, am Ende sind (fast) alle tot.
Ursprünglich war Saioa Hernández für die Rolle der Norma vorgesehen, sie musste durch die junge, in Hannover engagierte usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva ersetzt werden. Die Sängerin wurde im Laufe des Abends, und sie hatte viel zu singen, immer besser, vor allem dramatischer, auch gelangen ihr schöne Passagen, aber ohne eigentlich durch ihren Gesang zur seelischen Vertiefung der Partie zu gelangen. Das mag aber auch an Bellini und nicht an Frau Ismatullaeva gelegen haben. Insoweit machte sich im Laufe des langen Abends eine gewisse Langeweile breit, die aber auch ganz wesentlich dem Bühnenbild und der Inszenierung anzulasten war.
Normas im Stück als Busenfreundin dargestellte heimliche Konkurrentin Adalgisa wurde von der französischen Mezzosopranistin Karine Deshayes gesungen. Leider unterschieden sich die Stimmen beider Protagonistinnen kaum voneinander, so dass sich in den zahlreichen Duetten ein harmonischer Zusammenklang einer höheren und einer tiefer liegenden Stimme nicht einstellen wollte. Die Schwäche der Bellinischen Komposition zeigte sich auch im Terzett Norma/Adalgisa/Pollione, vom Orchester im Dreivierteltakt begleitet. Was hat z.B. Verdi mit solcher Humtata-Musik an Sehnen, Drängen oder zum Herzen greifenden Leiden komponiert. Bei Bellini bleibt alles im Seichten, Oberflächlichen.
Pollione wurde von dem aus Samarkand stammenden Tenor Najmiddin Mavlyanov ausgezeichnet gesungen. Er war schon vorher in Puccinis Tabarro als Luigi positiv aufgefallen. Besonders beeindruckte aber Seungwoo Simon Yang als Flavio mit seinem hellen, klangfarbenreichen Tenor, auch wenn er nur wenig zu singen hatte. Die Ensemblemitglieder Renate Spingler und Tigran Martirossian ergänzten die Gesangstruppe als Clotilde und Oroveso vorzüglich.
Die Inszenierung von Iona Kim wurde vielfach kritisiert. So richtig schlau wurde man aus ihr nicht. Wollte sie die Grausamkeiten der Gallier besonders darstellen? Immer wieder wurden Leute totgeschlagen, mit Benzin übergossen und schließlich eine menschengroße Puppe angezündet, um flammenlodernd den Feuertod von Norma und Pollione zu verdeutlichen. Wenn Norma ihre Kinder töten will, schickt sie ihre Söhne nach unten in den Keller und flößt ihnen ein Schlafmittel ein.
Das erinnert fatal an Magda Goebbels und ihr Handel in dem Film Der Untergang von Oliver Hirschbiegel. Der immer wieder mal nach vorn, mal nach hinten in Szene gesetzte Container mit hochfahrbarem Keller bleibt als Negativum haften, obwohl es auch schöne Bilder gibt, zum Beispiel wenn der Wald bzw. eine Wiese auf eine Leinwand projiziert wird oder wenn am Ende die Gallier allesamt in roten Kostümen zunächst im Hintergrund und später an den Seiten auftreten.
Mein Platz war diesmal auf dem Balkon des vierten Rangs. Man hat dort sehr gut hören können, ganz anders als im Londoner Covent Garden Opernhaus. Dort bezahlt man für einen ähnlichen Platz nahezu das Vierfache und hört deutlich schlechter. Warum manchmal die Akustik der Hamburgischen Staatsoper kritisiert wird, bleibt mir nach wie vor ein Rätsel. Außerdem wurde in der kürzlich hier referierten Londoner Turandot-Aufführung auch nicht besser gesungen, abgesehen von der dort grandiosen Catherine Foster.
Dr. Ralf Wegner, 26. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Norma, Der Niedergang der Staatsoper Hamburg Staatsoper Hamburg, 22. April 2023
Premiere: Vincenzo Bellini, Norma, Semperoper Dresden, klassik-begeistert.de
Vincenzo Bellini, LA SONNAMBULA Opéra Royal de Wallonie-Liège, 24. Januar 2023
„…fiel die Schwäche der Bellinischen Komposition umso mehr auf.
Inhaltlich handelt es sich bei der Oper Norma um eine durch Maria Callas’ Casta Diva-Interpretation berühmt gewordene langatmige Schmonzette, die nicht durch Dramatik, sondern nur durch exzeptionellen Schöngesang zu retten ist.“
Da ist jetzt aber eine heftige „Kollegenschelte“ fällig:
Die „Norma“ ist nicht erst durch Maria Callas bekannt geworden, weder ist sie langatmig, noch eine Schmonzette. Seit dem 19. Jahrhundert gilt sie völlig zurecht als Höhepunkt der italienischen Opernliteratur vor Verdi. Sie nur als Vehikel für gastierende Primadonnen zu betrachten, greift erheblich zu kurz!
Peter Sommeregger