"DON CARLOS" IN HH – VERLOREN IM NETZWERK VON VERLIERERN: KONWITSCHNYS SPEKTAKULÄRE INSZENIERUNG BEGEISTERT NOCH IMMER

Foto: Künstleragentur Seifert- Elena Zhidkova ©

Elena Zhidkova, Mezzosopran, in der Rolle der Prinzessin Eboli ist eine wahre Offenbarung! Die fließend Deutsch sprechende Russin singt derart ausdrucksstark und klangschön, aber auch stimmgewaltig, dass einem nur noch Schauer über den Rücken laufen. Sie ist längst kein Geheim-Tipp mehr, sondern befindet sich auf dem Zenit ihres Könnens.

Staatsoper Hamburg, 2. Juni 2019
Giuseppe Verdi, Don Carlos
(in französischer Sprache)

von Dr. Holger Voigt

Heute würde man es einen Polit-Thriller nennen und wohl eine Serie daraus machen: Wer darf wen lieben und aus welchen Gründen im Lichte von Machterhalt und Machtverteilung ehelichen?

Das große gleichnamige Drama Friedrich Schillers um Macht und Intrigen, Liebe und Verrat, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit – ein Auftragswerk der Pariser Oper – stellt Giuseppe Verdi in geradezu Wagnerschen Dimensionen auf die Bühne: Fünf Akte, fünf Stunden (mit Pausen). Die Staatsoper Hamburg zeigt die französischsprachige Originalfassung „Don Carlos“ mit deutschen Übertiteln, und nicht die italienischsprachige („Don Carlo“). „Giuseppe Verdi, Don Carlos,
Staatsoper Hamburg, 2. Juni 2019“
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DIENSTAG–PRESSE – 4. JUNI 2019

Foto: © Thies Rätzke, Elbphilharmonie Hamburg
Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden: Die DIENSTAG–PRESSE – 4. JUNI 2019

Österreich
Kabinett Bierlein: Außenminister als Kulturminister erntet massive Kritik
https://www.kleinezeitung.at/kultur/medien/5638482/Kabinett

Kulturszene nennt Ressortzuteilung eine Degradierung
Salzburger Nachrichten

Frankfurt
„König Roger“ an der Oper Frankfurt:
Wenn aus Angst vor dem Fremden Ekstase wird
Suggestive Choräle, zarte Melodien und geradezu rauschhafte Klangwolken – die Oper „König Roger“ des polnischen Komponisten Karol Szymanowski überwältigt mit faszinierender Musiksprache. Nach über zwanzig Jahren kehrte Dirigent Sylvain Cambreling zurück ans Pult der Oper Frankfurt, um die Erstaufführung des selten zu sehenden Stoffes zu leiten.
BR-Klassik

„Opernwahrheiten“, voll Temperament und Lebendigkeit
Ein legendäres Duett-Paar der Opernwelt feiert dieser Tage runde Geburtstage: Giacomo Aragall und Ileana Cotrubas.
Die Presse

Berlin/ Staatsoper
Ein Retro-Rigoletto langweilt Unter den Linden in Berlin
Als sich der Vorhang bei dieser Premiere in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin hebt, will man es erst gar nicht glauben: plüschig rotes Ambiente, Chor und Statisterie im Look der 1950er-Jahre, ein paar Uniformen und sehr viel Statik in der Personenführung. Diese Optik ist so aus der Zeit gefallen, dass man meinen könnte, eine uralte Inszenierung wäre wiederbelebt worden. Bei aller Fragwürdigkeit so mancher aktueller Inszenierungen ist aber eines klar: So geht es nun wirklich nicht mehr. Die Produktion ist laut Programmheft auch an der Metropolitan Opera in New York zu sehen, die ja für ein eher konservatives Publikum bekannt ist. Das mag der Grund, kann aber keine Entschuldigung für eine in ihrer Schlichtheit schon peinliche Realisierung dieses dankbaren Stoffes sein.
Peter Sommeregger berichtet aus der Staatsoper Unter den Linden in Berlin.
Klassik-begeistert

Rigoletto an der Staatsoper Unter den Linden. Premierenkritik
MET-affines Stehkonzert mit sehens- und auch hörenswertem Sparafucile-Protagonisten namens Jan Martinik
https://www.freitag.de/autoren/andre-sokolowski/rigoletto-an-der

Verdis unzerstörbare Oper
Giuseppe Verdis „Rigoletto“ ist ein Publikumsmagnet und sorgt seit Jahrzehnten für volle Häuser. Da wundert es nicht, dass die Staatsoper Berlin in Zusammenarbeit mit der krisengebeutelten Metropolitan Opera in New York das Stück auf den Spielplan gesetzt hat. Bei der Premiere zeigten sich jedoch deutliche Risse im Fundament der Inszenierung.
BR-Klassik „DIENSTAG–PRESSE – 4. JUNI 2019“ weiterlesen

Die MONTAG–PRESSE – 3. JUNI 2019

Foto: Juan Diego Flórez, © Manfred Baumann
Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden:
Die MONTAG–PRESSE – 3. JUNI 2019

Staatsoper Berlin: eine seltsam herzlose Rigoletto-Premiere direkt vom Broadway
Der Broadway-erprobte Bartlett Sher schenkt Berlin eine gediegene, diffuse, konventionelle und seltsam herz- und kopflose Mainstream-Inszenierung, in der die Gilda von Nadine Sierra mit jungem, frischen Sopran punkten kann. Christopher Maltman klingt als Titelfigur immer einen Ticken zu laut und unflexibel und der gerade heraus singende Duca von Michael Fabiano hat ein Problem mit den Spitzentönen. Ein Gewinn ist Andrés Orozco-Estrada am Pult der Staatskapelle, der rhythmisch straff, dabei flexibel dirigiert und für Verdis Oper einen Mittelweg zwischen düsterem Drama und lässigem Italiensound findet. Zum Schluss einige Buhs und laufwarmer Beifall.
Konzertkritikopernkristikberlinanton schlatz

Wien/ Staatsoper
„Manon“: Kalkül und Emotion
Jubel für Massenets „Manon“ mit einem neuen Liebespaar: Nino Machaidze und Juan Diego Flórez.
Die Presse

Stimmgewaltige „Manon“ an der Wiener Staatsoper: Nino Machaidze, Juan Diego Flórez und Adrian Eröd beindrucken mit einer fesselnden Interpretation der Erfolgsoper
Die Wiener Staatsoper ist eines der renommiertesten Opernhäuser der Welt. Die Auslastung scheint jedes Jahr noch weiter ins Unermessliche zu steigen. Das verwundert angesichts der ungemein hohen Qualität ihrer Produktionen nicht, wie Massenets Manon beweist: Die Starbesetzung unter der musikalischen Leitung von Frédéric Chaslin zeigt, wie man gute Oper macht.
Julia Lenart berichtet aus der Wiener Staatsoper.
Klassik-begeistert

Neil Shicoff zum 70.Geburtstag: „Ich nehme meinen Beruf unglaublich ernst“
Er hatte eine dieser Stimmen, von denen Opernfans nicht genug bekommen können: der amerikanische Tenor Neil Shicoff. Es gab ein halbes Dutzend Partien, in denen ihm kein Kollege das Wasser reichen konnte – vor allem Rollen des französischen Repertoires. 2015 nahm der gebürtige New Yorker Jude mit russischen Wurzeln an seinem Lieblingshaus, der Wiener Staatsoper, seinen Bühnenabschied.
BR-Klassik

Tenor Neil Shicoff wird 70 Jahre alt
Frankfurter Allgemeine

Braunschweig/ Festival für zeitgenössische Musik
Der Tod feiert das Leben
„L’Invisible“ auf der von Marc Weeger Ein Triumph mit Akkorden des Schreckens: Aribert Reimanns Oper „L’Invisible“ beim Braunschweiger Festival für zeitgenössische Musik. Tatjana Gürbaca führte Regie.
https://www.sueddeutsche.de/kultur/klassik-der-tod-feiert-das-leben-1.4471263

Berlin/ Komische Oper
„Roxy und ihr Wunderteam“ Eine Fußballoperette von Paul Abraham an der Komischen Oper
Berliner Zeitung „Die MONTAG–PRESSE – 3. JUNI 2019“ weiterlesen

Ein Retro-Rigoletto langweilt
Unter den Linden in Berlin

Foto: © Brinkhoff / Mögenburg
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 2. Juni 2019
Giuseppe Verdi, Rigoletto (Neuinszenierung )

Andrés Orozco-Estrada Musikalische Leitung
Bartlett Sher Inszenierung
Christopher Maltman Rigoletto
Michael Fabiano Herzog von Mantua
Nadine Sierra Gilda

von  Peter Sommeregger

Als sich der Vorhang bei dieser Premiere in der Staatsoper Unter den Linden in Berlin hebt, will man es erst gar nicht glauben: plüschig rotes Ambiente, Chor und Statisterie im Look der 1950er-Jahre, ein paar Uniformen und sehr viel Statik in der Personenführung. Diese Optik ist so aus der Zeit gefallen, dass man meinen könnte, eine uralte Inszenierung wäre wiederbelebt worden. Bei aller Fragwürdigkeit so mancher aktueller Inszenierungen ist aber eines klar: So geht es nun wirklich nicht mehr. Die Produktion ist laut Programmheft auch an der Metropolitan Opera in New York zu sehen, die ja für ein eher konservatives Publikum bekannt ist. Das mag der Grund, kann aber keine Entschuldigung für eine in ihrer Schlichtheit schon peinliche Realisierung dieses dankbaren Stoffes sein. „Giuseppe Verdi, Rigoletto,
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 2. Juni 2019“
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Mit Pauken und Trompeten: Das Theater Freiburg gibt sich schlagfertig

Foto: Leah Biebert ©
Theater Freiburg, 2. Juni 2019
8. Kammerkonzert,
Philharmonisches Orchester Freiburg 

Werke von Stanley Leonard, Cyril James Squire, Chick Corea, Alexej Gerassimez, Evelyn Glennie, Joe Duddel und John Psathas

Rudolf Mahni                      Trompete
Thomas-Anton Varga     Schlagzeug
Daniel Carter                        Klavier

von Leah Biebert

Ein aufsteigendes Fanfarensignal eröffnet das Konzert, dann kommt die Pauke dazu – wer hier Richard Strauss‘ Zarathustra vermutet, liegt falsch. Um Schlag elf Uhr beginnt im Theater Freiburg das achte Kammerkonzert mit Fanfare and Allegro, einer Komposition des US-Amerikaners Stanley Leonard. „8. Kammerkonzert,  Philharmonisches Orchester Freiburg,
Theater Freiburg, 2. Juni 2019“
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Stimmgewaltige "Manon" an der Wiener Staatsoper: Nino Machaidze, Juan Diego Flórez und Adrian Eröd beindrucken mit einer fesselnden Interpretation der Erfolgsoper

Foto: Juan Diego Flórez, Michael Pöhn (c)
Wiener Staatsoper, 1. Juni 2019
Jules Massenet, Manon
Opéra Comique in fünf Akten

Frédéric Chaslin, Dirigent
Andrei Serban, Regie
Peter Pabst, Ausstattung
Nino Machaidze, Manon Lescaut
Juan Diego Flórez, Chevalier Des Grieux
Adrian Eröd, Lescaut
Michael Laurenz, Guillot de Morfontaine
Clemens Unterreiner, Brétigny
Dan Paul Dumitrescu, Graf Des Grieux
Orchester der Wiener Staatsoper
Chor der Wiener Staatsoper

von Julia Lenart

Die Wiener Staatsoper ist eines der renommiertesten Opernhäuser der Welt. Die Auslastung scheint jedes Jahr noch weiter ins Unermessliche zu steigen. Das verwundert angesichts der ungemein hohen Qualität ihrer Produktionen nicht, wie Massenets Manon beweist: Die Starbesetzung unter der musikalischen Leitung von Frédéric Chaslin zeigt, wie man gute Oper macht. „Jules Massenet, Manon, Juan Diego Flórez, Nino Machaidze,
Wiener Staatsoper, 1. Juni 2019“
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Die SONNTAG–PRESSE – 2. JUNI 2019

Cecilia Bartoli © 2018 Decca Records

Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden:
Die SONNTAG–PRESSE – 2. JUNI 2019

Salzburg/ Pfingstfestspiele
Mann? Frau? Weder noch? Hosenrolle und Männersopran 
Cecilia Bartoli begibt sich bei den Salzburger Pfingstfestspielen auf die Spuren jener Kollegen, die mit Verwirrung über ihr Geschlecht beispiellose Furore gemacht haben.
Salzburger Nachrichten

„Konzertgänger in Berlin“
String riot: Klimakonzert der Staatskapelle mit Patricia Kopatchinskaja
Streichquartett der Apokalypse
Dies irae for future am Freitagabend: Dass das Orchester des Wandels sich an die aktuellen Schülerproteste angehängt hätte, kann man allerdings beim schlimmsten Willen nicht behaupten – seit 2009 gibt es diese Initiative der Berliner Staatskapelle schon.
https://hundert11.net/stringriot/

Halle/ Saale/Händel-Festspiele
Starker und langer Beifall des Premieren-Publikums in Halle…
Gerade erst hat die Oper Halle den alle zwei Jahre verliehenen Theaterpreis des Bundes erhalten, weil das Haus „unter der Intendanz von Florian Lutz mit ihrem neuen ästhetischen Programm überregionale Stahlkraft gewonnen“ habe.
Dr. Guido Müller berichtet aus der Oper Halle.
Klassik-begeistert

Dresden/ Musikfestspiele
Erhaben und düster: Das Hagen Quartett beeindruckt bei den Dresdner Musikfestspielen
Inmitten des Großen Gartens in Dresden liegt das ehemalige Sommerpalais der Albertiner – erbaut in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Sachsens erster Barockbau nach italienischem Vorbild. Denkt man sich das Palais in barocker Pracht, wird man enttäuscht. Stattdessen mutet der einstige Festsaal abenteuerlich an. Während des Zweiten Weltkrieges ausgebrannt, ist er bis heute nur gesichert und unverputzt, allein zwei Bögen sind restauriert. Auch die Neonleuchten erzeugen nicht das erwartete Flair. In den hinteren Stuhlreihen – verborgen hinter Säulen – kommt man sich weit von den Interpreten entfernt vor.
Pauline Lehmann berichtet von den Musikfestspielen in Dresden.
Klassik-begeistert „Die SONNTAG–PRESSE – 2. JUNI 2019“ weiterlesen

"JULIUS CÄSAR IN ÄGYPTEN": Starker und langer Beifall des Premieren-Publikums in Halle

Foto: Falk Wenzel ©
Oper Halle, 31. Mai 2019
Georg Friedrich Händel: JULIUS CÄSAR IN ÄGYPTEN

von Guido Müller

Gerade erst hat die Oper Halle den alle zwei Jahre verliehenen Theaterpreis des Bundes erhalten, weil das Haus „unter der Intendanz von Florian Lutz mit ihrem neuen ästhetischen Programm überregionale Stahlkraft gewonnen“ habe.

Nun inszeniert zur Eröffnung der renommierten Händel-Festspiele der Regiealtmeister Peter Konwitschny gemeinsam mit dem Hallenser Bühnenbildner, Ausstatter und Grafik-Professor Helmut Brade Händels wohl beliebteste Oper „Julius Cäsar in Ägypten“ in einer neuen deutschen Übersetzung von Werner Hinze, Bettina Bartz und Peter Konwitschny. Das Team Konwitschny-Brade hatte bereits in den 1980ger-Jahren in Halle sehr erfolgreich und weit beachtet Händel-Opern zur Aufführung gebracht. Wie sieht nun ihr ästhetisches Programm über dreißig Jahre später aus? „Georg Friedrich Händel: JULIUS CÄSAR IN ÄGYPTEN,
Premiere Oper Halle, 31. Mai 2019“
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Erhaben und düster: Das Hagen Quartett beeindruckt bei den Dresdner Musikfestspielen

Foto: Hagen Quartett, © Harald Hoffmann
Dresden, Palais im Großen Garten, 28. Mai 2019

Hagen Quartett:
Lukas Hagen, Violine
Rainer Schmidt, Violine
Veronika Hagen, Viola
Clemens Hagen, Violoncello

Franz Schubert, Streichquartett Nr. 12 c-Moll D 703 »Quartettsatz«
Dmitri Schostakowitsch, Streichquartett Nr. 13 b-Moll op. 138
Ludwig van Beethoven, Streichquartett Nr. 14 cis-Moll op. 131

von Pauline Lehmann

Inmitten des Großen Gartens in Dresden liegt das ehemalige Sommerpalais der Albertiner – erbaut in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Sachsens erster Barockbau nach italienischem Vorbild. Denkt man sich das Palais in barocker Pracht, wird man enttäuscht. Stattdessen mutet der einstige Festsaal abenteuerlich an. Während des Zweiten Weltkrieges ausgebrannt, ist er bis heute nur gesichert und unverputzt, allein zwei Bögen sind restauriert. Auch die Neonleuchten erzeugen nicht das erwartete Flair. In den hinteren Stuhlreihen – verborgen hinter Säulen – kommt man sich weit von den Interpreten entfernt vor. „Hagen Quartett,
Dresden, Palais im Großen Garten, 28. Mai 2019“
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Wiesbaden: Starke Ovationen für "Die Meistersinger von Nürnberg"

Hessisches Staatstheater Wiesbaden, 30. Mai 2019
Richard Wagner: DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG

Foto: © Monika und Karl Forster

von Alexander Walther (onlinemerker.com)

Psychologische Prozesse werden in der subtilen Inszenierung von Bernd Mottl sehr präzise dargestellt. Nicht umsonst waren es die Nürnberger Wirtshäuser, die Richard Wagner zu seiner Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ deutlich inspiriert haben. Gerade darauf nimmt der Regisseur Bezug (Bühne und Kostüme: Friedrich Eggert).

Im ersten Akt sieht man die Gaststätte als Ort verschiedener Zeiten und Stilrichtungen. Der zweite Akt lässt dann die Häuserfassaden für das Publikum in sehr viel näherer Weise deutlich werden. Künstlerdrama und Liebesgeschichte erreichen auch hier eine ungeahnte Intensität. Die Affäre zwischen Walther von Stolzing und Eva prägt sich dem Zuschauer durchaus ein. Hans Sachs hingegen erhält den Nimbus des alternden Mannes, dessen tragisches Schicksal das Publikum ebenfalls berührt. Die berühmte Prügelszene entwickelt eine beachtliche szenische und rhythmische Kraft, der gesellschaftliche Balanceakt lässt die Grenze des Komischem zum Tragischen verschmelzen. Natürlich sind dabei nicht alle Passagen gelungen. Totenköpfe werden hin- und hergeschwenkt, in den Fenstern hängen Betrunkene herum, Licht flackert in nervöser Weise hin und her. Sehr gut wird hier Sixtus Beckmesser charakterisiert, der sich bei seinem Meistersingerlied vor allem Volk unsterblich blamiert.

Die Stube des Hans Sachs im dritten Akt erhält bei Bernd Mottl ein betont modernes Outfit. Diese Szene ist dem Regisseur allerdings am wenigsten gelungen. Aber die Seelenqualen des alternden Hans Sachs kommen doch überzeugend über die Rampe, denn das junge Liebespaar vergnügt sich respektlos im Bett von Sachs, während dieser zuschauen muss und natürlich völlig die Nerven verliert. Opulent und wirkungsvoll, wenn auch manchmal allzu überladen wirkt dann das Schlussbild. Auf der glanzvollen Empore sieht man die stolzen Trompeter, die das gewaltige Panorama mit dem Jubel um Hans Sachs und das Liebespaar Walther von Stolzing und Eva begleiten.

Bernd Mottl verleugnet dabei jedoch keineswegs, dass Wagners „Meistersinger“ ein naturalistisches Stück sind. Die Zeit wird dabei angehalten, das Mythisch-Mystische verschwindet. Die Handwerker sind ein Club alter Herren, die zwar an Regeln und Werten hängen, die Welt deswegen jedoch wegfegen wollen. Sie flüchten in eine Scheinwelt, die nicht mehr existiert. Gerade dieser Aspekt hätte bei der Inszenierung noch deutlicher werden können. Aber Hans Sachs möchte sich hier nicht gegen den Fortschritt stemmen. Sachs möchte die alten Werte in die neue Zeit hinüberretten, womit er natürlich erhebliche Probleme hat. Michael Volle als Hans Sachs stellt diese verzwickte Situation in wahrhaft begeisternder Weise dar.

Unter der elektrisierenden Leitung von Patrick Lange sticht die musikalische Leistung dieses Abends deutlich heraus. Vor allem der diatonische Klangcharakter und die erfrischende Rhythmik fesseln das Publikum ungemein. Auch die schwärmerische Gefühlswelt von Eva und Walther kommt keineswegs zu kurz, dafür sorgen vor allem die ausdrucksstarken Sänger Betsy Horne als Eva und Thomas Blondelle als Walther von Stolzing. Dynamisch feinnervige Nonenakkorde werden dabei vom Dirigenten minuziös herausgearbeitet. Kontrapunktische Strukturen nach dem Vorbild Bachs treten bei dieser durchaus einfühlsamen Wiedergabe suggestiv hervor. Und die Sommernachtsstimmung des zweiten Aktes erreicht zumindest musikalisch eine betörende Wirkung, auch wenn das szenische Pendant nicht immer mithalten kann. Polyphone Durchdringung wird bei dieser Interpretation zumindest großgeschrieben. Dies gilt vor allem für die hervorragenden Chorpassagen mit Chor und Extrachor des Staatstheaters Wiesbaden (Einstudierung: Albert Horne). Da zeigt die „Prügelfuge“ wirklich Biss.

Der großartige  Michael Volle wird hier als Hans Sachs tatsächlich zu einem Integrationshelfer der gespaltenen Nürnberger Gesellschaft. Mit pompöser Statur und starkem gesanglichen Klangfarbenreichtum vermag er das Publikum nicht nur beim fieberhaften Wahnmonolog rasch für sich zu gewinnen. Eine ganz besondere Leistung vollbringt ebenso Johannes Martin Kränzle als Sixtus Beckmesser, der seine grenzenlose Verzweiflung bei der Fuge betroffenmachend herausschleudert. Wagners flammendes C-Dur setzt sich bei dieser Aufführung vor allem gegen Ende sehr deutlich durch. Energiegeladen und stimmgewaltig agieren auch die übrigen Sängerinnen und Sänger. Neben der Luxusbesetzung Günther Groissböck als Veit Pogner und Margarete Joswig als Magdalena gefallen vor allem Daniel Behle als höhensicherer David, Benjamin Russell als Fritz Kothner, Ralf Rachbauer als Kunz Vogelgesang, Florian Kontschak als Konrad Nachtigall, Rouwen Huther als Balthasar Zorn, Reiner Goldberg als Ulrich Eisslinger, Andreas Karasiak als Augustin Moser, Daniel Carison als Hermann Ortel, Philipp Mayer als Hans Schwarz und Wolfgang Vater als Hans Foltz.

In weiteren Rollen imponieren noch Tuncay Kurtoglu als Nachtwächter und die famosen Lehrbuben Istvan Balota, Maria Dehler, Gregoire Delamare, Marvin Gauger-Schmidt, Hyemi Jung, Hounwoo Kim, Scott Ingham, Luca Leonardi, Florian Löffler, Maike Menningen, Karolina Michel und Paul Sutton.

Die exzellente Beckmesser-Harfe mit Kristina Kuhn soll nicht unerwähnt bleiben. Beim Sehnsuchtsmotiv Walthers scheint Patrick Lange als Dirigent tatsächlich ganz in seinem Element zu sein. Auch die verinnerlichte Stimmung erfährt dabei eine weitere Vertiefung. Humorvolle Klangmalerei tritt hier in geradezu geheimnisvoller Weise zutage. Regenbogen-, Nachtigall- und Froschmotive quellen in unwahrscheinlicher Weise hervor. Vor allem das Motiv der Sangesfreude entwickelt sich überaus kraftvoll. Beim Tanzchor triumphieren einmal mehr die rhythmischen Momente, die sich in den Noten D-Fis-C-E aufzulösen scheinen. Das liegengebliebene G wirkt umso rätselhafter. Jedes Motiv erhält bei Lange einen erstaunlichen Charakterisierungsreichtum. Das Poch-Motiv beim Beckmesserständchen erreicht eine ebenso prägnante rhythmische Kraft und Klarheit. Und das Liebessehnen des jungen Liebespaares ergreift hier zuletzt alle Orchesterstimmen in wahren Fieberkurven.

So gab es zuletzt starke Ovationen des Publikums für die gelungene Vorstellung einer Oper, die von Johannes Brahms gelobt und von „Kritikerpapst“ Eduard Hanslick einst in der Luft zerrissen wurde.

Alexander Walther, 31. Mai 2019