Royal Philharmonic Orchestra: Funke da, Feuer mau

RPO, Julia Fischer, Violine, Vasily Petrenko, Dirigent  Kölner Philharmonie, 2. Februar 2025

 Julia Fischer © Uwe Arens

Das Spitzenorchester aus London stellt einmal mehr in der Kölner Philharmonie großes Können unter Beweis.


Modest Mussorgsky (1839-1881) – Eine Nacht auf dem kahlen Berge (Bearbeitung: Nikolai Rimsky-Korsakow)

Jean Sibelius (1865-1957) – Violinkonzert op. 47

Béla Bartók (1881-1945) – Konzert für Orchester SZ 116

Royal Philharmonic Orchestra
Julia Fischer, Violine
Vasily Petrenko, Dirigent

Kölner Philharmonie, 2. Februar 2025

von Brian Cooper, Bonn

Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, seit das Royal Philharmonic Orchestra unter Chefdirigent Vasily Petrenko in der Kölner Philharmonie brillierte und ein wahres Feuer entfachte. Nun, Anfang 2025, stellte es einmal mehr seine große Virtuosität unter Beweis, unter anderem mit einem der wichtigsten Orchesterwerke des 20. Jahrhunderts, Béla Bartóks Konzert für Orchester. Um im Bild zu bleiben: Auch hier – und den gesamten Abend über – brannte zwar durchaus das Feuer, doch nicht ganz so hell und herzerwärmend wie 2023.

Das fünfsätzige Werk, vor rund 80 Jahren uraufgeführt, ist auch für Ersthörerinnen und -hörer gut anzuhören: Atonalität wird allenfalls angedeutet, und es gibt einen riesengroßen Melodienreichtum, eine faszinierende Palette an orchestralen Klangfarben und ganz viel Humor, darunter die zirkushafte Parodie auf Lehárs „Da geh’ ich zu Maxim“. Jede Gruppe im Orchester wird in Sachen Virtuosität aufs Reizvollste herausgefordert: Es ist eben ein „Konzert für Orchester“.

Royal Philharmonic Orchestra © Ben Wright

Vasily Petrenkos Deutung liegt irgendwo zwischen Charme und Ingrimm: Lichte Momente wechseln sich ab mit aggressiver Verzweiflung. Vulgäre Verballhornungen – die Posaunen-Glissandi vor der Lehár-Parodie etwa – kostet er aus, das ist nicht verwerflich. Es gibt Raffinesse und Durchhörbarkeit, was sich gerade auf die irrsinnige Fuge im Finalsatz positiv auswirkt. Die drei letzten Paukenschläge könnten freilich noch deutlicher sein, denn diese Töne gehören zum Thema – eine reizvolle Parallele zum DSCH im Finalsatz von Schostakowitschs Zehnter, ebenfalls in den Pauken. Hammering it home

Vasily Petrenko © Mark Mcnulty

Im zweiten Satz, dem „Spiel der Paare“, gibt es einen Blechchoral. Es ist eine der schönsten Stellen des ganzen Stücks. Auch wenn hier in allen Instrumentengruppen fabelhaft musiziert wurde, so auch im Blech, dachte ich plötzlich an die beste Aufführung zurück, die ich je gehört habe. Das war nicht einmal Jansons’ Abschied als Chef in Amsterdam, sondern das New York Philharmonic unter Lorin Maazel. Im Mai 2007 war das, ebenfalls in Köln, und die Solistin des Abends war Julia Fischer.

Damals spielte sie Brahms, diesmal Sibelius. Die Ernsthaftigkeit ihrer Miene beim Auftritt ist sicherlich höchster Konzentration geschuldet; wenn sie nicht spielt, hört sie aufmerksam zu, und im Spiel wendet sie sich oft Petrenko zu. Alle Doppelgriffe, alle Läufe sind blitzsauber, souverän, manches hat man gar nie so gehört. Es ist zwar kein micromanagement, aber der Solistin scheint wichtig, über keinen einzigen Ton hinwegzuhuschen, um jeder Note eine eigene Bedeutung zuteilwerden zu lassen. Das geht manchmal doch etwas auf Kosten eines emotionalen Gesamtbildes, eines Loslassens.

Dabei ist das Zusammenspiel zwischen Solistin und Orchester exquisit, man hört gut aufeinander. Doch vertraut man einander so weit, dass man sich fallen lassen kann? Im langsamen Satz, der übrigens auch mit „Paarspielen“ in den Klarinetten und Oboen beginnt, spielt Julia Fischer herrlich glutvoll, die Handbremse scheint sich ein wenig zu lösen, bevor der irrwitzig schwere Finalsatz auch im Orchester mit viel Charme gestaltet wird.

Julia Fischer © Uwe Aarens

Der Abend hatte mit einer in allen Belangen zufriedenstellenden Nacht auf dem kahlen Berge begonnen, in der alle Orchestergruppen souverän und homogen aufeinander abgestimmt wirkten, von den flirrenden Violinen ganz zu Beginn bis hin zum zupackenden Blech. Das ruhige Ende der ansonsten trubeligen sinfonischen Dichtung dauert überraschend lang, hier gab es schöne Soli von Klarinette und Flöte, die Harfe präsent, die Bass-Pizzicati durchgehend beeindruckend präzise.

Für eine Sternstunde reicht das alles nicht, aber es war ein guter Abend.

Dr. Brian Cooper, 3. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Royal Philharmonic Orchestra, Jan Lisiecki, Klavier, Vasily Petrenko, Dirigent Kölner Philharmonie, 31. Januar 2023

Julia Fischer, Violine und Jan Lisiecki, Klavier Elbphilharmonie, Hamburg, 7. November 2024

Fabian Müller & Friends Kölner Philharmonie, 26. Dezember 2024

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