Lieses Klassikwelt 43: Kirsten Flagstad

von Kirsten Liese

Foto: Kirsten Flagstad, das die Archives der Met für mein Buch „Wagnerheldinnen“ zur Verfügung gestellt haben.

Die Norwegerin Kirsten Flagstad (1895-1962) war eine der größten Wagner-Sängerinnen aller Zeiten und mit ihrer monumentalen Stimme der Inbegriff einer hochdramatischen Sängerin. Nicht zufällig trage ich denselben Vornamen, meine Eltern waren von ihrer Stimme derart fasziniert, dass sie  mich nach ihr benannt haben. Am 12. Juli wäre die Heroine, die ihre Karriere klug disponierte, 125 Jahre alt geworden. Grund genug, sie mit einem Porträt zu würdigen.

Es hat allerdings seine Zeit gebraucht, bevor ich meinen Namen in Ehren halten konnte. Als kleines Kind war ich mit ihm sehr unglücklich, weil nur wenige ihn richtig aussprachen. Oft nannte man mich Kerstin, Kirstin oder Kristin, gelegentlich Christine, und bisweilen hielten die Leute Liese für meinen Vor- und Kirsten für den Zunamen. Es war zum Verrücktwerden, wie gerne hätte ich doch einen so einfachen, unverwechselbaren Namen wie Susanne, Andrea oder Birgit getragen. Als ich mit meiner Mutter darüber sprach, erklärte sie mir, nach wem ich benannt sei. Aber das konnte ich erst würdigen, als ich älter wurde und anfing, mich für historische Aufnahmen zu interessieren. „Lieses Klassikwelt 43: Kirsten Flagstad
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Sommereggers Klassikwelt 43: „Magic Fire“ – Richard Wagner à la Hollywood

von Peter Sommeregger

Richard Wagner, dessen gedruckt erschienene Biographien ganze Regale füllen würden, wurde früh auch schon zum Helden verschiedener Filme. Zum 100. Geburtstag Wagners, erschien 1913 ein abendfüllender Stummfilm, der noch heute durch seine Qualität besticht, aber auf das begleitende Abspielen von Kompositionen Wagners aus urheberrechtlichen Gründen verzichten musste. Ein findiger Arrangeur komponierte immer haarscharf am Original vorbei, so blieb die von Bayreuth missbilligte Unternehmung rechtlich unangreifbar.

Es konnte nicht ausbleiben, dass auch Hollywood sich des dankbaren Stoffes annahm. Dabei wurde der Fehler begangen, Wagners Biographie mit dem Schwerpunkt auf seinen Beziehungen zu Frauen darzustellen, was der Produktion eine gewisse Oberflächlichkeit verleiht. Dramaturgisch geschickt werden nicht gezeigte Ereignisse durch einen Sprecher aus dem off geschildert, trotzdem sind die Sprünge in den biographischen Abläufen manchmal ziemlich abrupt. Gedreht wurde 1954 an deutschen Originalschauplätzen in englischer Sprache, wobei man immer wieder improvisierte, was die Schauplätze betraf. Was als Dresdner Hofoper ausgegeben wird, ist in Wahrheit das barocke Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, so genau konnte und wollte man es damals nicht nehmen. klassik-begeistert.de“ weiterlesen

Frau Lange hört zu (17): Denn ich bin nur ein Egoist …

„Das Ego eines Mannes ist der Urquell des menschlichen Fortschritts.“ Dieser Satz stammt von Ayn Rand, einer Urprophetin der quasi-religiösen Ideologie des Neoliberalismus, die unser Denken, unseren Umgang miteinander in den letzten Jahrzehnten schleichend beschädigt hat. Die Pandemie taucht die Folgen in ein grelles Licht. Eine Polemik mit Musik.

von Gabriele Lange

„So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht.“

Margaret Thatcher

Tausende Menschen riskieren dicht aneinander gedrängt ihre Gesundheit. Die meisten ohne Maske, weil ein narzisstischer Vampir sein erfrischendes Bad in der Menge vermisst hat. Ein Egomane, dem die Schicksale seiner Fans egal sind. Sie jubeln ihm zu. Denn sie wären gern wie er.

„Undefied, no signs of regret
Your swollen pride assumes respect“

Portishead, Cowboys

Die quasi-religiöse Ideologie des Neoliberalismus hat die Welt verändert. Wie sehr, das zeigen uns Klimakrise und Pandemie. Wir brauchen: Zusammenarbeit, Rücksichtnahme, Verzicht, Menschlichkeit. Eigentlich. Doch diese Fähigkeiten und Eigenschaften wurden in den letzten Jahrzehnten entwertet. In unserer sozialdarwinistischen Wettbewerbsgesellschaft gelten sie als Schwäche, ja Dummheit. Ich bin zu hart? „Frau Lange hört zu (17): Denn ich bin nur ein Egoist …“ weiterlesen

Ladas Klassikwelt 39: Wie Wäscheklammern beim Musizieren helfen können

Foto: Bachology auf Youtube

„Trotz der Distanz zwischen den Sängern gelang es uns, einen schönen, gemeinsamen Klang zu erzeugen. Wir waren wirklich froh, dass wir wieder „analog“ zusammen üben konnten. Virtuelle Proben können dies nicht ersetzen.“

von Jolanta Lada-Zielke

Aus Sicherheitsgründen finden Chorproben zurzeit virtuell oder seit Kurzem bei Sommerwetter auch im Freien  statt. Überall ist das nicht möglich. Die Verwaltung einiger Regionen erlaubt zum Beispiel das Training von Tai-Chi-Gruppen, aber kein gemeinsames Singen, das immer noch als Möglichkeit der Ausbreitung des Coronavirus angesehen wird. „Ladas Klassikwelt 39: Wie Wäscheklammern beim Musizieren helfen können“ weiterlesen

Ritterbands Klassikwelt 15: Miss Marple und Mozart

von Dr. Charles E. Ritterband

Foto: Margaret Rutherford als Mrs. Marple (c) pinterest

Was ist der Zusammenhang zwischen Miss Marple und Mozart? Agatha Christie ist nach wie vor Englands beliebteste Krimi-Autorin, und ihre Hauptfigur, Miss Marple aus dem Dörfchen St. Mary Mead, die der lokalen Polizei zwar chronisch auf die Nerven , aber den Profis  stets eine Nasenlänge voraus ist, ist seit 92 Jahren „Kult“. Mindestens acht verschiedene Generationen von Schauspielerinnen haben die pfiffigste „Spinster“ („alte Jungfer) der Krimi-Geschichte verkörpert. Meine persönliche Favoritin: die schrulligste von allen, Margaret Rutherford, Miss Marple von 1961 bis 1964 – aber von der Autorin Agatha Christie wurde sie nicht sehr geschätzt, und in einer Publikumsumfrage wurde Joan Hickson zur beliebtesten Miss Marple gekürt. Samstagabend amüsierte ich mich mit einer BBC-Verfilmung des 31. Kriminalromans von Agatha Christie unter dem Titel „The Body in the Library“ (Die Leiche in der Bibliothek) Februar 1942.

Pace, pace mio Tesoro

Was aber hat Miss Marple mit Mozart zu tun? Der Fall ist, wie immer vertrackt: Wie kommt die Leiche der jungen Frau in die Bibliothek im Landhaus des pensionierten Offiziers Mr. Bantry? Und handelt es sich bei der Toten bei der tatsächlich um die vermisste Ruby Keene? Miss Marple kommt den Tatsachen auf die Spur, als sie mit ihrer Freundin Dolly, der Gattin jenes Offiziers auf der Esplanade von Bournemouth entlang promeniert. Die (etwas dümmliche und allzu geschwätzige) Dolly pfeift unwillkürlich die Melodie vor sich hin, welches das Salonorchester des Grand Hotels am Abend zuvor intoniert hatte: Es ist das wunderschöne Terzett (Figaro, Susanna, Graf Almaviva) aus dem letzten Akt von Mozarts „Hochzeit des Figaro“ – „Pace, pace mio dolce tesoro“. „Ritterbands Klassikwelt 15: Miss Marple und Mozart
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Der Schlauberger 7: Schlachten fürs Fleisch – mit oder ohne Veganer?

Bild: Fleischgipfel.
Treffen zum Mahl der Worte.

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

Das ist der Gipfel. Der Gipfel der Fleischeslust. Da, wo das Gipfelkreuz vom Gipfelschnitzel flankiert wird. Vier-neunundneunzig das Kilo. Agrarministerin Julia Klöckner hat ihre Kolleginnen Otte-Kinast (Niedersachsen) und Heinen-Esser (NRW) zum politischen Mahl der Worte gebeten, um hoch über den Wipfeln des Marktes Schlachten zu schlagen und den Sättigungsgedanken auf ein neues Niveau zu heben. „Der Schlauberger 7
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Lieses Klassikwelt 42: Spuk im Barocktheater

von Kirsten Liese

Fotos: drottningholms-slottsteater (c)

Ich möchte Sie heute an einen besonders schönen Ort führen, in dem ich im vergangenen Jahr gerade noch rechtzeitig ohne Einschränkungen eine Aufführung erleben konnte: das schwedische Barocktheater Drottningholm.

Ich habe darüber auch gerade eine Sendung gemacht, die am Freitagabend um 22:05 Uhr im Musikfeuilleton von Deutschlandfunk Kultur ausgestrahlt wurde.

Das Theater  liegt idyllisch am Rande einer weitläufigen barocken Parklandschaft dicht am Wasser und hebt sich von allen anderen europäischen Barocktheatern, zu denen etwa auch das bezaubernde Goethe-Theater in Bad Lauchstädt, das Gothaer Ekhof-Theater, das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, das Rokokotheater in Schwetzingen  oder das Schlosstheater Versailles gehören, mit seiner original erhaltenen Bühnenmaschine aus dem 18. Jahrhundert ab. „Lieses Klassikwelt 42
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Schweitzers Klassikwelt 8 : Aus dem Zeitalter der LP: Arabella

Foto: Lisa della Casa,  Arabellissima  © Foto Fayer

von Lothar Schweitzer

Die Rezensionen über diese Oper von Richard Strauss nach der Premiere bei den Salzburger Festspielen 1958  sind nicht überwältigend ausgefallen. Die Feuilletons waren meine erste Begegnung mit dem Werk. Die „Arabella“ – ein Studienfreund nannte seine erste Tochter nach dieser Oper – führt bis heute ein Schattendasein neben dem „Rosenkavalier“. Ich las sogar Vergleiche mit einer Operette!

Im Gegensatz zu „Don Giovanni“ und „Tiefland“ lernte ich „Arabella“ in der Oper und nicht zuerst durch eine Schallplatte näher kennen und lieben. Es war der denkwürdige 17. Juni 1960 mit Lisa della Casa, Dietrich Fischer-Dieskau und der bezaubernden Anny Felbermayer als Zdenka, die sie an dem Abend das einzige Mal an der Wiener Staatsoper sang. „Schweitzers Klassikwelt 8
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Sommereggers Klassikwelt 42: Evelyn Lear, meine erste Lulu

„Dass diese von Otto Schenk inszenierte Produktion zum Sensationserfolg wurde, war bestimmt nicht zum kleinsten Teil der sängerischen und darstellerischen Leistung Evelyn Lears geschuldet. Die Aufführung war Stadtgespräch, ich konnte gerade noch eine auch für einen Schüler erschwingliche Karte ergattern.“

von Peter Sommeregger

An diesem 1. Juli sind es bereits acht Jahre, dass die große Sängerin Evelyn Lear gestorben ist. Wenn ich ihrer gedenke, steigen wieder Erinnerungen an meine frühen Opernerlebnisse der 1960er Jahre auf. Dass diese Erinnerungen noch so leicht abrufbar sind, hat sicher auch mit den damals noch viel ausgeprägteren Persönlichkeiten und Eigenheiten der Künstler zu tun. Perfekt war auch damals nicht alles, aber man liebte manche Künstler vielleicht gerade wegen bestimmter Eigenheiten. Der heute vorherrschende Trend zur Selbstoptimierung und Perfektionierung hat Individualität weitgehend ausgemerzt. „Sommereggers Klassikwelt 42: Evelyn Lear, meine erste Lulu“ weiterlesen

Ladas Klassikwelt 38: Virtuell oder real, Hauptsache: international!

Der Jerusalem Oratorio Chamber Choir, der Zamirchor und die Nürnberger Philharmoniker unter der Leitung von Itzhak Tavior. Konzert zum Holocaustgedenktag bei den Vereinten Nationen in New York am 27.01.2010. Foto: Jennifer Taylor.

Die schwierige Situation der Künstler während der Corona-Pandemie hat bei einigen außergewöhnliche Kreativität ausgelöst. Der israelische Ashirachor fing mit virtuellen Proben an und lud das befreundete Ensemble aus Deutschland – den Zamirchor aus Bayreuth – dazu ein. Die Leiterin des Zamirchors Barbara Baier nahm diese Einladung mit Begeisterung an.

Ein Gespräch mit der Chorleiterin Barbara Baier (Zamirchor Bayreuth)

von Jolanta Lada-Zielke

„Die Idee kam zwar durch Corona, aber nicht wegen Corona“, erzählt Barbara Baier. „Die gemeinsamen Proben haben sich toll entwickelt, die Stimmung war sehr familiär. Dann habe ich mir gedacht: wenn es mit den Israelis so gut geklappt hat, online zu üben, warum sollte man das nicht „mit der ganzen Welt“ machen? Es wäre schön, wenn Menschen aus anderen Ländern an großen Chorprojekten teilnehmen könnten, und zwar sobald die Pandemie vorbei sein wird.“

Barbara Baier. Foto: Martin Bursch

Barbara Baier, die auch als Gesangspädagogin tätig ist, setzte diesen Gedanken in die Praxis um. Sie hat mit dem israelischen Komponisten, Pianisten und Dirigenten Itzhak Tavior den International Universal Classique Choral (IUCC) gegründet. Im Moment gehören nur zwei große Ensembles dazu: der Zamirchor aus Bayreuth und der Ashirachor aus Haifa. Die beiden Gründer laden zu dem Projekt Sängerinnen und Sänger aus möglichst vielen Ländern und Nationen ein. Die Chormitglieder sollen zunächst virtuell zusammen proben. Fünf Tage vor dem Auftritt werden sie sich am Konzertort treffen. „Ladas Klassikwelt 38: Virtuell oder real, Hauptsache: international!“ weiterlesen