Sommereggers Klassikwelt 39: Von der Singakademie zum Maxim-Gorki-Theater

Das schöne, aber unauffällige klassizistische Gebäude, das in Berlin ein wenig versteckt hinter der Schinkel-Wache Unter den Linden und dem so genannten Kastanienwäldchen liegt, ist ein höchst geschichtsträchtiger Ort. Seine Geschichte spiegelt die an Katastrophen und politischen Umwälzungen reiche Historie dieser Stadt wider.

von Peter Sommeregger

Über dem Eingang prangt heute der Schriftzug „Maxim Gorki Theater“, aber das war keineswegs immer so. Die Baugeschichte allein ist reich an Planänderungen, Umbauten, Zerstörungen und schließlich neuer Bestimmung des weißen Hauses. Der Leiter der Singakademie Berlin, Friedrich Carl Zelter, der mit dem Architekten Karl Friedrich Schinkel befreundet war, hatte ihn um einen Entwurf für den ersten öffentlichen Konzertsaal Berlins gebeten. Schinkels Pläne wurden verschiedentlich verändert, die endgültige Bauleitung übernimmt Karl Theodor Ottmer, 1827 kann das Gebäude eingeweiht werden. Die Akustik des Neubaus ist hervorragend geglückt und über die Jahre konzertieren bedeutende Musiker wie u. a. Niccolò Paganini, Franz Liszt, Clara und Robert Schumann, Anton Grigorjewitsch Rubinstein und Johannes Brahms in dem Konzertsaal. Hier findet auch am 11. März 1829 die legendäre Wiederaufführung von Bachs Matthäuspassion unter dem erst 20-jährigen Felix Mendelssohn-Bartholdy statt. „Sommereggers Klassikwelt 39: Von der Singakademie zum Maxim-Gorki-Theater“ weiterlesen

Frau Lange hört zu (15): Apfelstrudel für Kim Jong-un

Bild: Album artwork by Valnoir

Wir leben in einer Zeit, in der Dystopien Realität werden. Nicht nur was die Pandemie betrifft, auf die uns etwa Stephen King, Michael Crichton und Terry Gilliam vorbereitet haben. Vor dem, was in den USA, Brasilien, Ungarn, der Türkei … geschieht, haben uns George Orwell oder Margaret Atwood gewarnt. „Laibach“ liefert bereits seit vier Jahrzehnten dafür den Soundtrack.

von Gabriele Lange

„All art is subject to political manipulation (…),
except for that which speaks the language of this same manipulation.“

Laibach, „Manifest”

Eines der faszinierendsten Konzerte meines Lebens war Laibach „The Sound of Music“. Eine Avantgarde-Industrial-Band spielte Songs aus dem zuckersüßen Musical von Rodgers & Hammerstein. Und präsentierte damit eine irritierende Schnittmenge aus Hollywoodunterhaltung, Heimatkitsch und totalitärer Propaganda. Klingt seltsam? Es wird noch bizarrer. Jahre bevor das Album herauskam hatte Laibach ebendiese Songs in Nordkorea gespielt. 2015, zum 70. Jubiläum der Befreiung von der japanischen Besatzung. Mitten im Konflikt um die nukleare Aufrüstung Nordkoreas. Als erste ausländische Rockband, die dort überhaupt je auftreten durfte. Es gibt einen Dokumentarfilm darüber (Liberation Day).

Das hätte schiefgehen können, denn diese Diktatur ist unerbittlich. Auch gegen Ausländer. Damit sich ermessen lässt, was für ein irrwitziges Kunststück Laibach da gelungen ist – und wie das klappen konnte –, muss ich etwas ausholen. „Frau Lange hört zu (15): Apfelstrudel für Kim Jong-un“ weiterlesen

Sophies Welt 1: Und alles beginnt in Wien

von Sophie Reyer

Wien: Ein glänzendes Gewebe aus Gegensätzen, das an die Begriffe „Traum und Wirklichkeit“ sowie „Tod und Eros“ erinnert – und auch an große Namen der europäischen Kulturgeschichte. Denn kaum in einer Weltstadt florierten und florieren Kunst und Kultur ähnlich wie in der kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt. Man denke hier nur an die Weimarer Klassik. Doch auch am Beginn des 19. Jahrhunderts konzentrierten sich in dem Zentrum Wien Höchstleistungen der Literatur, Malerei, Architektur und Musik in einer Dichte, die ihresgleichen sucht.

Wen wundert es also, dass mich die Welt der Klassik früh erreichen konnte? Bereits als Vierjährige besuchte ich eine Aufführung von „Peter und der Wolf“ – und mein erstes Bilderbuch, das ich mir wünschte, war eines, das die Geschichte von Mozarts „Zauberflöte“ wiedergab. Ich erinnere mich: damals konnte ich noch nicht lesen, doch die Musik – mein Vater hat mir, die ich noch im Kindergarten gewesen bin, einige Arien vorgespielt – hat es mir sofort angetan. Beim Auspacken des Geschenkes jedoch war ich ein wenig enttäuscht: „Ich dachte, das ist ein großes dickes Buch!“ sage ich dementsprechend auf dem Super-8-Video, auf dem ich mit meinem „Zauberflöte“-Bildband, den ich noch heute manchmal ansehe, abgelichtet bin. Wie auch immer: So jedenfalls begann eine große Liebesgeschichte. „Sophies Welt 1
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Ladas Klassikwelt 35: Ohne Worte, aber mit viel Herz

Die CD „Ring ohne Worte“ von der Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Hansjörg Albrecht (Label: Oehms Classics)

von Jolanta Łada-Zielke

Dieses Album wurde bereits vor zwei Jahren rezensiert, gleich nachdem es veröffentlicht worden war. Ich möchte demnach keine Analyse davon bringen, keine Bemerkungen zu den dynamischen Proportionen machen, welches Instrument an welchen Stellen zu sehr auffällt oder ob die vom Dirigenten verlangten Tempi angemessen sind; das hat schon Andrea Braun für das Portal „Das Orchester” gemacht. Ich brauche nicht daran zu erinnern, welches Instrument einen Charakter mit seinem Klang imitiert, da eine genaue Beschreibung dessen auf der Schott Music-Website veröffentlicht wurde. Ich genieße einfach den „Ring“ als ein gesamtes Stück in der erstklassigen Aufführung eines Orchesters mit langer Tradition unter der Leitung von Hansjörg Albrecht. „Ladas Klassikwelt 35: Ohne Worte, aber mit viel Herz“ weiterlesen

Der Schlauberger 3: Heute kocht bei uns Person A. Denn: Die Ehefrau ist weg!

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Bald werde ich nach fast fünfzig Jahren keine Ehefrau mehr haben. Ehefrau und Ehemann sollen verschwinden. Aus der Steuererklärung. Wegen der Neutralität.

Und das geht so, wie das Bundesfinanzministerium in der „Rheinischen Post“ erklärt hat: Meine Ehefrau ist nicht mehr meine Ehefrau, sondern Person A. Und ich bin nicht mehr ihr Ehemann, sondern Person B. Oder umgekehrt. Endlich wird die jährliche Quälerei geschlechtsneutral. „Der Schlauberger 3: Die Ehefrau ist weg!
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Lieses Klassikwelt 38: Infektionsschutz

Unweigerlich habe ich mich gefragt, ob sich nicht bei Flugzug-Passagieren das Gefühl einstellt, für blöd verkauft zu werden. Und was wohl einem Kino- oder Theaterbetreiber bei solchen Impressionen so durch den Kopf gehen mag. Für mich jedenfalls war das eine Farce.

von Kirsten Liese

(Foto von Kirsten Liese aus dem Lufthansa-Flugzeug zwischen Berlin und Frankfurt am Main, aufgenommen vor wenigen Tagen)

Langsam erwacht die Kultur wieder zum Leben. Die Auflagen zum Infektionsschutz allerdings, die das sachte Hochfahren des Betriebs bedingen,  sind nicht ohne, und deshalb können bislang noch sehr wenige Menschen daran teilhaben.  Neben einer von Land zu Land differierenden, festgelegten Zuschauerzahl, die nicht überschritten werden darf, macht  Theatern und Konzerthäusern vor allem der geforderte Sicherheitsabstand von 1,50 Meter zu schaffen. Denn das bedeutet, dass sie ihre Platzkapazitäten, insbesondere in geschlossenen Räumen, nicht ausschöpfen können, mithin also viele, viele Stühle – wenn nicht ganze Sitzreihen – leer bleiben müssen.  Eine schwierige logistische Herausforderung.

Für die renommierten Salzburger Festspiele im Jahr ihres hundertjährigen Bestehens bedeutet das, dass weniger als ein Drittel der vorgesehenen Vorstellungen stattfinden können. Mit einer Zulässigkeit von 1000 Besuchern geht es den Österreichern dabei vergleichsweise noch gut, bedenkt man, dass in Italien nur maximal 250 Zuschauer zulässig sind. Umso mehr bewundere ich den Mut und die Innovation zweier Festivals wie Ravenna und Pesaro, die auf ganz unterschiedliche Weise das Beste aus dieser Situation herausholen: Ravenna weicht auf die Festung Rocca Brancaleone und damit eine Location unter freiem Himmel aus, das Rossini Opernfestival in Pesaro baut sein entzückendes Teatro Rossini dergestalt um, dass das Orchester im Parkett des Saals Platz nimmt und das Publikum voneinander getrennt in den Logen, damit den Abstandsregelungen entsprochen werden kann. „Lieses Klassikwelt 38: Infektionsschutz“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 38: Joseph und Amalie Joachim: Erst im Tod wieder vereint

von Peter Sommeregger

Die beiden schon reichlich von Efeu überwucherten Grabsteine auf dem Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Friedhof in Berlin-Charlottenburg sind praktisch identisch und bilden stilistisch eine Einheit. Die Botschaft ist klar: eheliche Verbundenheit über den Tod hinaus.

Aber dieses Bild trügt. Der am 28.Juni 1831 im damals ungarischen Kittsee geborene Sohn eines jüdischen Wollhändlers, Joseph Joachim, war musikalisch hoch begabt, sein Talent wurde auch frühzeitig erkannt. Bereits ab 1837 studierte er am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Geige und erwarb sich bald den Ruf eines Wunderkindes. Felix Mendelssohn-Bartholdy förderte ihn und führte mit ihm Beethovens beinahe vergessenes Violinkonzert auf und nahm ihn anschließend in sein Leipziger Gewandhausorchester auf. „Sommereggers Klassikwelt 38: Joseph und Amalie Joachim
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Schweitzers Klassikwelt 6: Aus dem Zeitalter der LP – Don Giovanni

von Lothar Schweitzer

Da wir in unsrer Wohnung keinen alten Plattenspieler haben und wir bis dato verabsäumten, die Aufnahme auf CD umspielen zu lassen, kann ich diesen Opernquerschnitt nur aus dem Gedächtnis besprechen. Ich habe die Schallplatte, geprägt im Jahr des österreichischen Staatsvertrags 1955 mit 25 cm Durchmesser, schon Jahrzehnte nicht mehr gehört, aber in meiner Gymnasialzeit ein halbes Jahr fast jeden Tag einmal. Es war für mich als Fünfzehnjähriger meine erste Begegnung mit dieser Mozartoper. Die Aufnahme ist für mich bei jenen Stellen, an die ich mich noch heute lebendigst erinnern kann, die ich so zusagen im Ohr habe, ein Maßstab geblieben. Höre ich bei einer Aufführung in der Oper die in das „Vinyl“ meiner Gehirnwindungen gepressten Arien, Duette und Ensembles dieser Decca-Produktion nicht mehr lästig parallel im Geist mit, so spricht das für die jeweilige Aufführung. „Schweitzers Klassikwelt 6: Aus dem Zeitalter der LP – Don Giovanni“ weiterlesen

Ladas Klassikwelt 34: „Fidelio“ für Kinder und Jugendliche  

von Jolanta Łada-Zielke

Das Jahr 2020 sollte das Ludwig-van-Beethoven-Jahr sein; es ist leider das Jahr der Corona-Virus-Pandemie geworden, und alles deutet darauf hin, dass es unter diesem Name in die Geschichte eingehen wird. Aber trotz der Einschränkungen, die in Bezug auf die aktuelle Situation auferlegt wurden, können wir zu Hause die Musik des Wiener Klassikers genießen und sein Schaffen den jüngsten Musikliebhabern vertraut machen. Der Verlag Annette Betz hat einige Bücher über die berühmtesten Werke des Meisters aus Bonn herausgegeben. Eins davon betrifft Beethovens einzige Oper „Fidelio“. Die Autoren der Fassung sind Kristina Dumas und Martin Krämer. „Ladas Klassikwelt 34, „Fidelio“ für Kinder und Jugendliche
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Der Schlauberger 2: Die Joghurt klingt blöd, oder? Dann lieber den Gulasch

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer, Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

So. Nun ist es passiert. Das Virus ist auch in meiner Sprachkolumne angekommen. Oder der Virus?

Der Duden lässt beides zu. In der medizinischen Fachsprache wird die sächliche Form, also das Virus, verwendet. Beim Computervirus hat sich die männliche Form, der Virus, durchgesetzt. Einen weiblichen Virus gibt es nicht. Dafür aber fast 40 Substantive, auf die alle drei Artikel der, die, das, passen. „Die Joghurt“ klingt blöd, ist aber richtig.

Zwei Artikel für denselben Begriff kommen häufiger vor: der oder die Fussel, der oder das Barock, der oder das Gulasch … „Der Schlauberger 2: Die Joghurt klingt blöd, oder? Dann lieber den Gulasch
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