In einer höchst originellen und somit ungewöhnlichen Inszenierung aus dem Jahr 2011 (Regie: Robert Carsen) hält Don Giovanni mit hintergründiger Ironie dem eleganten Mailänder Publikum an der Scala gewissermaßen den (Zerr-)Spiegel vor: Das beeindruckende Bühnenbild (Bühne: Michael Levine) besteht abwechslungsweise aus einem den gesamten Bühnenrahmen ausfüllenden Spiegel, in dem sich der prachtvolle Zuschauerraum der Scala spiegelt – und Kulissen, auf denen eben dieser Zuschauerraum abgebildet ist, einmal in unendlicher, perspektivischer Wiederholung. Ein Verwirrspiel, dessen Sinn und Zweck man leicht errät: Was sich in dieser barocken Komödie abspielt, wiederholt sich immer wieder, und so auch im hier und heute, im vornehmen Publikum der Scala. Dass am Ende der unter Höllenqualm ins Inferno hinabgefahrene Don Giovanni hinter den sechs von der Moral der Geschichte kündenden Protagonisten quicklebendig wieder auftaucht und stattdessen die Sechs zur Hölle fahren, bestätigt den maliziösen Zwiespalt dieser brillanten Inszenierung.
Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni
Libretto: Lorenzo Da Ponte
Teatro alla Scala, 12. April 2022
von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)
Begeistert haben in dieser so bemerkenswerten Inszenierung an der legendären Scala alle Stimmen – aber der Held des Abends war die Titelfigur, dieser vom englischen Bariton Christopher Maltman so maliziös verkörperte Don Giovanni. Niemand würde bezweifeln, dass dieser so souverän und sexy agierende Verführer jede Frau in Sekunden betört mit seiner überaus maskulinen und doch zugleich flexiblen Stimme.
Überraschend als Biochemiker ausgebildet eroberte er bald die großen Bühnen dieser Welt – sein Start als Papageno an der Royal Opera Covent Garden und dann in derselben Rolle am renommierten südenglischen Opernfestival Glyndebourne hatte ihm alle Türen weit geöffnet. Sein kongenialer Partner Alex Esposito aus dem nahen Bergamo als sein akribisch die internationale Eroberungsstatistik führende Diener Leporello, war sein noch um einen Tick maliziöseres Ebenbild – er glich seinem Herrn so sehr, dass die berühmte Szene mit dem Kleidertausch plausibel wie noch nie über die Bühne kam. „Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni,
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