Eine letzte Premiere, ein letzter ganz großer Wurf: Christian Thielemann verabschiedet sich mit einer Neuproduktion der „Frau ohne Schatten“ aus Dresden – und wie! Das ‚opus magnum‘ von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal wird in Dresden zum gefeierten Erfolg, nicht zuletzt auch dank der hochgradig gelungenen und inhaltlich überzeugt-überzeugenden Inszenierung von David Bösch und eines vorzüglichen Solistenensembles. Dieser Abend wird lange in Erinnerung bleiben – sowohl als Meilenstein der Dresdner Strauss-Tradition wie auch als Schlussstein einer Ära.
von Willi Patzelt
Richard Strauss
Die Frau ohne Schatten
Christian Thielemann, Dirigent
Sächsische Staatskapelle Dresden
David Bösch, Regie
Patrick Bannwart, Bühnenbild
Semperoper Dresden, 23. März 2024
Die Frau ohne Schatten und die Sächsische Landeshauptstadt sind durch eine nicht ganz gut begonnene Geschichte miteinander verbunden. Nur zwölf Tage nach der Uraufführung dieser „modernen Märchenoper“ an der Wiener Hofoper, nämlich im Oktober 1919, kam „FroSch“ unter der Leitung von Fritz Reiner in Dresden zur Aufführung – jedoch mit mittelmäßigem Erfolg und künstlerisch zum Missfallen des Komponisten. Strauss bemängelte vor allem, das Stück sei „szenisch so unvollkommen vorbereitet gewesen“, dass er die Premiere sogar habe verschieben lassen müssen.
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DIE MONTAG-PRESSE – 25. MÄRZ 2024
Abschied von Christian Thielemann in Dresden „Ich betrinke mich mit Kunst“
Die „Frau ohne Schatten“ ist die letzte Premiere des Star-Dirigenten an der Dresdener Semperoper. Gegenüber BR-KLASSIK zieht Christian Thielemann eine Bilanz seiner 14 Jahre als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle: „Keiner wird sagen, er hat nachgelassen.“ BR-Klassik.de
Baden-Baden Kritik – „Elektra“ in Baden-Baden – Ein Libretto macht noch keine Oper
Kirill Petrenko überzeugt in Strauss’ „Elektra“ am Pult mit den Berliner Philharmonikern als Osterfestspielpremiere in Baden-Baden. Doch die Inszenierung von Philipp Stölzl enttäuscht und wirkt wie ein halblebendiges Reclam-Heft
Von Jörn Florian Fuchs BR-Klassik.de
Christian Thielemann erklärte aus seiner Sicht die Laufbahn eines Dirigenten: „Am besten an einem kleinen Theater korrepetieren, Operette dirigieren, Zweiter Kapellmeister werden, dann Erster, dann GMD, auch mal gastieren – so sollte das bis 30 laufen. Und dann wird’s schon“.
In dieses Jahr fällt nebst vielen anderen runden Geburts-und Sterbejahren auch der 100. Todestag Ferruccio Busonis. Dies scheint der willkommene Anlass für eine Neuinszenierung seiner letzten, unvollendet gebliebenen Oper beim Maggio Musicale Fiorentino im letzten Jahr gewesen zu sein. Viel zu selten bekommt man dieses ungewöhnliche Werk zu sehen und zu hören. „Blu-ray Rezension: Ferruccio Busoni, Doktor Faust klassik-begeistert.de, 23. März 2024“ weiterlesen
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DIE SONNTAG-PRESSE – 24. MÄRZ 2024
Nachtkritik „La Gioconda“ bei den Osterfestspielen Salzburg: Anna Netrebko brilliert als Racheengel
Die Sopranistin kehrt nach Salzburg zurück und verhilft den Osterfestspielen als Titelheldin in „La Gioconda“ zu einem Erfolg. SalzburgerNachrichten.at
„La Gioconda“ in Salzburg: Anna Netrebkos triumphale Rückkehr (Bezahlartikel)
Die Sopranistin wurde nach der Opernpremiere der Osterfestspielen bejubelt. Die Frage nach dem Sinn dieser Produktion stellt sich aber dennoch. Kurier.at
Was ist nur in den so eleganten Herrn mit den schneeweißen Manschetten einen Platz weiter rechts von mir gefahren? Der Rhythmus ist offenbar direkt in sein Blut! Und auch der andere graumelierte Herr vor mir bricht in Tanzbewegungen aus, so sehr es der knappe Raum seines Platzes in der Elphi erlaubt… und ja, die junge Frau mit dem Elphi-Ausweis um den Hals neben mir, „nun wird es lebensfroh“ sagt sie noch vor der Pause – auch sie swingt plötzlich mit. Zu schweigen vom Mann ganz unten im Parkett ganz rechts, der in den afrikanischen Klängen tatsächlich immer wieder die Arme hochreißt… und der kleine, blonde Steppke hinter mir schnippt schon seit fünf Minuten ekstatisch mit den Fingern – und plötzlich erwische ich mich bei einem zarten Head-Banging, natürlich würdevoll und elphigerecht!
Denn ja, der Saal brodelt. Nein, er kocht fast über. Sowas habe ich wirklich vor Ort noch nie erlebt: Auf den Rängen tanzen die Menschen. Tanzen? Warum?
Weil Angélique Kidjo, die völlig zu Recht berühmteste Stimme des schwarzen Kontinents, gerade „Pata-pata“ gibt, und vorher schon singen wir alle mit, bei „Mama Africa“ der „Afrikanischen Symphonie“, ihr direkt auf den Leib geschrieben, der Schwarzen im seiden-flammend-orangen Kleid und dem azurblauen Turban und doch einigem Schmuck, ich erspähe eine Tansanit Kette samt passenden Ohrringen, da ruft sie, die stimmliche Wucht aus Benin, den Saal auffordernd zum Mitsingen, „das könnt ihr doch besser? Auch als Deutsche?“ – und dann legen wir alle los, und klatschen mit, und singen „Mama Africa“ noch lauter, wer kann der Kidjo und ihrem Anfeuern schon widerstehen – die Elbphilharmonie am Siedepunkt!
„Die African Symphony ist eine Sammlung zeitloser Lieder, die in Afrika und weltweit Eindruck hinterlassen haben – Musik von Legenden wie Miriam Makeba, Fela Kuti und Youssou N’Dour, aber auch von angesagten jungen Künstlern wie Rema und Burna Boy.“ steht im Büchlein, und so kann man wohl von einer „Schwarzen Klassik“ sprechen? Wenn das die political correctnesses erlaubt?
Dass André Heller ein Händchen für tolle Frauen hat, weiß ich, habe ich doch Erika Pluhar, für den „stern“ vor roundabout 20 Jahren auf ihrer Tournee begleitet – aber was er hier und heute Abend auf die Bühne gebracht hat, es spottet jeglicher Beschreibung – aber ich mühe mich nach Kräften!
„Heute ist ein Heute-Heute-Tag“, spricht Heller, das Allround-Genie, gerade zur Einführung im roten Samtsakko, „ein wenig in die Jahre gekommen“ heißt es unten auf dem „Platz der Deutschen Einheit 1“ bei der Raucherpause, „wie wir alle“, aber die paar Sätze, die der Mann mit dem Geschmack für außergewöhnliche Frauen gerade gibt, sind nun wirklich einstimmend-ergreifend, „wir hörten, die ganze Familie, im Radio Salzburg mit Hilde Güden, die Familie saß vor dem Gerät auf dem nie benutzten Ehebett (das sagt er wirklich!), „mir wurde sogar ein kleiner Smoking geschneidert“, und diese Übertragungen waren für Familie samt Zugehfrau eben ein „Heute-Heute Tag“ – und heute Abend kann man den so berühmten Österreicher, der für eine Woche die Philharmonie bespielt, beim Wort nehmen!
Ein „Abend-Abend“-Abend, an einem Donnerstag, der einen aus dem Staunen nicht mehr herauslässt, ich jedenfalls bin total von meinen roten Socken.
Duftend-duftige, aquarellfarbene Rosenblätter auf der Bühne, so beginnt es, in einem Kreis gestreut, ein Mann am Piano, und dann tritt sie auf: Camilla Nylund. So stelle ich mir die Erscheinung der Venus von Milo vor, und in der Berühmt-gerühmten Präsenz im Spotlight scheinen im ausverkauften Haus alle zusammenzuschmelzen in ihre Richtung, ganz ins Zentrum, und, Wunder über Wunder, währen die Grande Dame uns Dispens erteilt, „Sie dürfen gerne nach jedem Song klatschen“ – da kommt man aus dem Klatschen also gar nicht mehr heraus.
Wer ihre „Fünf Lieder“ von Sibelius kennt, oder ihre Wagner-Einspielungen, der erwartet Höchstes – aber gerade übertrifft sich die Sopranistin selbst.
Manchmal beginnen große Lieben mit einer Kleinigkeit. Aber wie man diese Finnin, ganz in Schwarz, brillantbestickt, funkelnd, wie ihre so einzigartige Stimme, nicht in Liebe verfallen kann, beim „Great American Songbook“, es ist schlicht unmöglich. Liebe auf den ersten Ton, könnte man sagen, da schwingt sie sich schon empor bei Gershwin, bei „The man I love“, sie hält eine Hand auf dem Steinway (wo ist bloß mein Notizheft? Vor Begeisterung im Apartment verschwunden?) – und ja, man denkt Act after Act, „Das ist mein Lieblingslied, nein das ist mein favourite song, nein der, nein jener…“
Und wie sich Camilla Nylund, „Hellers Lieblingssängerin“, entfaltet, sich nach oben, ganz oben rankend, wie eine Rosenknospe, um ganz oben, schwerelos, beim dreigestrichenen C, aufzublühen, das ist schon ein Naturereignis. Es ist, als sänge eine Fee. 2000 Menschen sind auf einen Schlag verzaubert!
Das Ganze untermalt, höchst erstaunlich, von der „Hamburger Camerata“, einem Orchester, das heute zwischen zwei Kontinenten ja fast ein Kontrastprogramm bietet, von den Swingin’ States zu einem Afrika, mit dem Angélique Kidio auch das „Diverse“ feiern will: „Stellt euch vor, wir sähen alle gleich aus: Schrecklich!“ Doch keine Sorge – zum ersten Male (wann wieder?) ertönt nicht nur absolut überwältigender Applaus, nein, eine Frauenstimme erhebt sich zu dem „ULULULULU“, das zur Folklore gehört, und das nachzusingen ich jedem empfehlen kann, als Ausdruck des Glückes – nur die Warnung vorweg: Einfach ist es nicht!
Zwei Kontinente, zwei Epochen, zwei Sängerinnen, wie sie unterschiedlicher und gegensätzlicher nicht sein könnten.
Und das in Hamburg!
Jenseits von Afrika.
Fehlt nur noch „The man I love“…
Harald Nicolas Stazol, 22. März 2024, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Zwei Sängerinnen aus zwei Musikwelten, ganz in der Musik vereint
Es muss auch nicht immer Klassik sein… das zeigt nun auch die weltbeste Wagner-Isolde im teuersten Klassik-Konzertsaal der Welt. Mit Auszügen aus The Great American Songbook begeistert sie das Hamburger Elbphilharmonie-Publikum ebenso wie die Singer-Songwriterin Angélique Kidjo mit feurigem Gesang und Tanz. So kann auch die Elbphilharmonie mal richtig grooven!
Reflektor André Heller
Camilla Nylund, Gesang Angélique Kidjo, Gesang
Florian Sitzmann, Klavier Amen Viana, Gitarre David Donatien, Perkussion
Hamburger Camerata Christian Reif, Dirigent
Elbphilharmonie Hamburg, 21. März 2024
von Johannes Karl Fischer
Regelmäßig berichtet die Presse teils sehr kritisch über das Publikumsverhalten in der Hamburger Elbphilharmonie.
Klatschen zwischen den Sätzen? Geht gar nicht. Das muss man doch als Klassik-Konzertbesucher wohl wissen! Nun wird mal andersrum ein Schuh draus. Zwischen zwei federleicht gesungenen Nummern ihres Programms aus The Great American Songbook erklärt die Sopranistin Camilla Nylund – die erst kürzlich die hochdramatischen Wagnerpartien Isolde und Brünnhilde zu grenzenloser Begeisterung sang – ganz entspannt in einem kleinen Einschub, anders als in Klassik-Konzerten dürfe man hier nach jeder Nummer klatschen. „Hamburger Camerata, Christian Reif, Dirigent, Camilla Nylund und Angélique Kidjo Elbphilharmonie Hamburg, 21. März 2024“ weiterlesen
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DIE SAMSTAG-PRESSE – 23. MÄRZ 2024
Hamburg
Wagner-Tenor im Interview
Andreas Schager: „Wie erklärt man mir, dass das krank ist?“ Hamburg. Wie der gefeierte Sänger sich seine Kräfte einteilt und mit Opern-Stress umgeht. Im April kommt er in die Elbphilharmonie.
Münchner Philharmoniker
Die Bude ist voll
Die Münchner Philharmoniker stellen ihr Programm für die kommende Saison vor, das mit einem Bruckner-Schwerpunkt und gemeinsamen Konzerten mit dem Israel Philharmonic Akzente setzt. Mit Stolz kann das Orchester auf exzellente Auslastungszahlen verweisen. Der designierte Chefdirigent Lahav Shani übernimmt bereits vor seinem offiziellen Amtsantritt im Herbst 2026 eine prägende Rolle in der kommenden Spielzeit. BR-Klassik.de
Inszenierung: Robert Carson Bühnenbild und Kostüme: Anthony Ward
Staatsoper Hamburg, italienische Opernwochen, 21. März 2024
von Dr. Ralf Wegner
Das Ballett macht Pause, dafür gibt es bis zum 12. April 2024 italienische Opernwochen (Lucia di Lammermoor, Il Trovatore, Tosca, Cavalleria rusticana / Pagliacci und Turandot), gestern zum vorletzten Mal in dieser Spielzeit Puccinis Tosca.
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DIE FREITAG-PRESSE – 22. MÄRZ 2024
Osterfestspiele mit Salzburg-Comeback für Netrebko Opernstar Anna Netrebko tritt nach mehrjähriger Abwesenheit wieder bei einem Festival in der Mozartstadt Salzburg auf. Bei den Osterfestspielen singt die russisch-österreichische Sopranistin an der Seite von Jonas Kaufmann die Titelpartie in Amilcare Ponchiellis selten gespielter Oper „La Gioconda“, die am Samstag Premiere hat. Netrebko (52), deren internationale Karriere eng mit Salzburg verbunden ist, war seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht mehr bei Festspielen in der Stadt an der Grenze zu Bayern zu sehen gewesen MuenchnerAbendzeitung.de
Berlin Tcherniakovs Ring könnte neuen Kultstatus erlangen Im Oktober 2022 hatte die mit Spannung erwartete Neuinszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“ in der Staatsoper Unter den Linden Premiere. Die Arbeit Dmitri Tcherniakovs wurde eher kontrovers aufgenommen, am Ende der Götterdämmerung spielte sich beinahe eine Schlacht zwischen Buh- und Bravorufern ab. Eineinhalb Jahre später ergibt sich nun die Chance, das ursprüngliche Urteil zu hinterfragen. Es dauert eine Weile, ehe man die teilweise verrätselten Bilder entschlüsseln kann, die zahlreichen optischen Metaphern zu deuten vermag. Die Handlung ist in einem Forschungsinstitut angesiedelt, die Szenerie nüchtern, technisch. Im Konferenzraum des Instituts erkennt man ein optisches Zitat aus der Humboldt-Universität.
Von Peter Sommeregger Klassik-begeistert.de