Gilbert contra Bronfman: Einer hat gewonnen!

Foto: © Peter Hundert

Elbphilharmonie Hamburg, 20. Februar 2020

Yefim Bronfman Klavier
Dirigent Alan Gilbert
NDR Elbphilharmonie Orchester

von Ulrich Poser

Der Abend begann kosmisch. Das Werk Chorós Chordón der südkoreanischen Komponistin Unsuk Chin klingt in etwa so, als hätte man alle Noten der Götterdämmerung aus der Partitur heraus auf einen Tisch geschüttet und sie dann per Zufallsgenerator in neuen Formationen an die Wand geschleudert. Lindenbergs Ejakulator lässt grüßen. Melodien sind in dem Werk nahezu nicht erkennbar; man hat eher den Eindruck, Außerirdische versuchten sich zum ersten Mal an irdischem Notenmaterial. Dissonante Klangteppiche verschmelzen mit komponiertem Papierrascheln zu Irgendetwas. „Schön“ im herkömmlichen Sinne ist das sicher nicht, aber durchaus interessant für Liebhaber modernen Geräuschs.

Das NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung von Alan Gilbert präsentierte das Werk dynamisch, – vermutlich – fehlerfrei und mit starker Transparenz. Der Rezensent würde sich eine CD mit diesem Werk aber eher nicht kaufen. „Yefim Bronfman, Alan Gilbert, NDR Elbphilharmonie Orchester,
Elbphilharmonie Hamburg, 20. Februar 2020“
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Trauerarbeit und opernhafte Passion – Simon Rattle und das London Symphony Orchestra in der Elphi

Foto: © Daniel Dittus

Elbphilharmonie Hamburg, 18. Februar 2020

London Symphony Orchestra
London Symphony Chorus

Lisa Batiashvili, Violine
Elsa Dreisig, Sopran
Pavol Breslik, Tenor
David Soar, Bass
Simon Rattle, Dirigent

Alban Berg
Konzert für Violine und Orchester „Dem Andenken eines Engels“

Zugabe der Solistin:
Johann Sebastian Bach
Ich steh mit einem Fuß im Grabe BWV 156

Ludwig van Beethoven
Christus am Ölberge / Oratorium für Soli, Chor und Orchester op. 85

von Guido Marquardt

Es wäre leicht, im Beethoven-Jahr ein Programm mit einer „sicheren Nummer“ zu lancieren – erst recht mit einem Namen und Ruf, wie ihn Simon Rattle genießt. Doch Sir Simon entschied sich dafür, dem Saalpublikum ein interessantes Nischenprogramm zu bieten, das Beethovens selten gespieltes Oratorium mit dem vergleichsweise bekannten, aber unzweifelhaft sperrigen Violinkonzert von Berg verband. Dafür gebührt ihm Respekt. Und wie steht’s mit der Begeisterung? „Lisa Batiashvili, Elsa Dreisig, Pavol Breslik, David Soar, Simon Rattle, London Symphony Orchestra,
Elbphilharmonie Hamburg, 18. Februar 2020“
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Unfug – Wer?

Schon nach der Pause hat sich das Parkett geradezu entvölkert. Einige Skandinavier hier oben halten Ihnen die Treue. Ich auch.

Bildquelle: NDR

Elbphilharmonie Hamburg, 14. Februar 2020

NDR Elbphilharmonie Orchester
Kari Kriikku Klarinette
Dirigent Stefan Asbury

Unsuk Chin
Spira (Deutsche Erstaufführung)
Konzert für Klarinette und Orchester
Mannequin – Tableaux vivants für Orchester (Deutsche Erstaufführung)

von Harald N. Stazol

Sehr geehrte, verehrte, begnadetste Lady Unsuk Chin,

Entweder Sie werden mich nicht verstehen, oder ich habe Sie nicht verstanden. Im ersten Falle wäre es ein Missverständnis. Im zweiten eine Katastrophe.

Entweder an diesem Abend, als ihre Töne flirrten und ich nie mehr Schlagzeug samt Schlagzeugern sah, wirbelnd, ja, ach ja, bis zu dem “mit Essigwasser” gefüllten Glas, auf das sich ja nun das ganze Orchester zurückziehen darf, nachdem Sie es sinnlos und sinnfrei in Klangwogen, die Mahler besser, Dynamiken, die Thomas Tallis virtuoser, und Flächen, die ich dann doch einem Glasunow, einem Glinka überlassen würde – geradezu VERGEIGT haben. Viel Anlauf, kein Sprung, Verehrteste, und ich bin nun doch schon sehr gutgelaunt, aber sehe schon der Programmankündigung im Netz mit Entsetzen entgegen. „Unsuk Chin, Stefan Asbury, Kari Kriikku, NDR Elbphilharmonie Orchester,
Elbphilharmonie Hamburg, 14. Februar 2020“
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Lieses Klassikwelt 22: Vergessene Archivschätze

Worin liegt der Sinn, Tonzeugnisse aufzubewahren, wenn sie niemand hören kann? Dafür wurden sie wohl kaum produziert.

von Kirsten Liese

Während der Arbeit an meinen Sendungen stöbere ich oft in Rundfunk-Archiven. Und staune hin- und wieder über  kostbare, unveröffentlichte Schätze, die sich da finden.

Umso trauriger macht mich der Umstand, dass viele dieser Aufnahmen aus lizenzrechtlichen Gründen vor sich hin stauben und niemandem zu Gehör gebracht werden können. Oftmals muss ich jedenfalls auf  Aufnahmen verzichten, weil meine Redaktionen hohe Gebühren zahlen müssten, für die ihnen kein Budget zur Verfügung steht, oder, noch schlimmer, weil aus vertragsrechtlichen Gründen die Aufnahmen grundsätzlich nach der Erstausstrahlung nicht mehr gesendet werden dürfen.  Das betrifft zum Beispiel und ganz besonders Mitschnitte des Bayerischen Rundfunks von den Bayreuther Festspielen. Die existieren nach der Erstausstrahlung nur auf Karteikarten und schlafen wohl für alle Zeiten einen Dornröschenschlaf. „Lieses Klassikwelt 22: Vergessene Archivschätze,
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Überschäumende Heiterkeit in der "Serenissima" - "L'Elisir d'Amore" besticht im Teatro La Fenice

Teatro La Fenice, Venezia, 19. Februar 2020
Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore
Foto: Zuschauerraum nach der Rekonstruktion, 2018,
Teatro La Fenice (c)

„Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore,
Teatro La Fenice, Venezia, 19. Februar 2020“
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"Egmont" in Wien: Die Musik ist sehr technisch – konstruktiv mit wenig bis gar keinen Emotionen

War die Aufführung im Theater an der Wien musikalisch wirklich nicht der „Renner“, ist sie sowohl von der Regie als auch von der Besetzung her eine Meisterleistung.

Theater an der Wien, 19. Februar 2020
Christian Jost: Egmont
Foto: © Rupert Steiner

von Herbert Hiess

Ludwig van Beethoven war offenbar immer recht von diversen Kriegswirren besessen; natürlich zu seiner Zeit ganz präsent von Napoleon beeinflusst. Irgendwie hat sich das dann immer auf seine Werke niedergeschlagen. In seinen Symphonien hört man oft Elemente von Schlachtenmusik (vor allem in der Siebten) – das zieht sich sogar bis zur Missa Solemnis durch.

Ihn bewegte zusätzlich der Freiheitsgedanke und die durch Diktaturen aufgezwungene Unterdrückung von politischen Gegnern. „Fidelio“ ist natürlich das prominenteste Beispiel für eine Hymne an die Freiheit; auch der Finalsatz der 9. Symphonie eignet sich dafür. Nicht umsonst verwendete Leonard Bernstein 1989 beim Mauerfall dieses Werk als musikalische Initialzündung für die Befreiung der Menschen aus dem größten Gefängnis Europas. „Freiheit schöner Götterfunken“ war auch die schönste und dazu passendste Änderung von Friedrich Schillers „Ode an die Freude“. „Christian Jost, Egmont
Theater an der Wien, 19. Februar 2020“
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Die FREITAG-PRESSE – 21. FEBRUAR 2020

Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden:
Die FREITAG-PRESSE – 21. FEBRUAR 2020
Anna Netrebko und Yusif Eyvazov, Foto: Instagram (c)

Wien/ Konzerthaus
Berühmtes Paar: Anna, Yusif und die Romantik
Sopranistin Anna Netrebko und Tenor Yusif Eyvazov im Wiener Konzerthaus
https://www.derstandard.at/story/2000114815598/anna-yusif-und-die-romantik
Wunschkonzert mit zwei Liebenden
So war der Tourneeauftakt im Wiener Konzerthaus.
Kurier
Anna Netrebko: Schönklang und Eheglück
Bei bis zu 400 Euro pro Karte für die Anna-Netrebko-Show im Wiener Konzerthaus fallen zehn Euro für die Selbstdarstellungshochglanzbroschüre – vulgo Programmheft – wohl nicht mehr ins Gewicht. Dafür gibt es zwar keine Texte der gesungenen Verdi- und Puccini-Arien, aber großformatige Fotos von ihr, ihrem Mann Yusif Eyvazov, vom glücklichen Pärchen. Auf die Sozialmedienkanäle wird mitteldezent hingewiesen.
Wiener Zeitung

Wien/ Staatsoper
Zwischen „Alles Walzer“ und „Lalala“
Ob Ball der Bälle oder Fest der Feste – der Wiener Opernball hat viele Namen, und der traditionelle Höhepunkt der Ballsaison im Wiener Fasching hat auch in diesem Jahr seine Besucherinnen und Besucher, Prominenz und Politik rundum begeistert.
https://orf.at/stories/3155119/

Interview-Abbruch! Lugner schimpft laut über ORF
https://www.krone.at/2102270

Wien/ Opernball
Flasche Wasser kostet 20 Euro beim Opernball
„Alles Walzer!“ Das Tanzen bis in die Morgenstunden befeuert Hunger und Durst. Das Stillen dieser Bedürfnisse ist allerdings nicht billig.
https://www.msn.com/de-at/unterhaltung/opernball/flasche-wasser-kostet-20

Bayerische Staatsoper
„Tosca“ in München: Josef Calleja singt in Top-Form
Der Bayerischen Staatsoper war es auch gelungen, mit der Sopranistin Anja Harteros, dem Tenor Josef Calleja und dem Bassbariton Erwin Schrott drei herausragende Vertreter ihres Fachs für die Partien der Floria Tosca (die Sängerin), des Mario Caravadossi (der Maler) und des Baron Scarpia (Polizeichef) zu gewinnen.
Sie sangen vorzüglich und wurden am Ende auch heftig bejubelt.
Dr. Ralf Wegner berichtet aus der Bayerischen Staatsoper.
https://klassik-begeistert.de/bayerische-staatsoper-17-februar-2020/

Berlin/ Konzerthaus
Pietro Mascagni, Iris, konzertant
Seit bereits zehn Jahren macht sich die Berliner Operngruppe um die Ausgrabung vergessener Opern verdient. Unter der künstlerischen Gesamtleitung von Felix Krieger wurden seit 2010 Werke von Verdi, Donizetti, Bellini und Puccini halbszenisch aufgeführt, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Platz im Repertoire gefunden haben.
Ein solcher Fall ist das Geisha-Drama „Iris“, das trotz großen Erfolges bei der Uraufführung 1890 schon seit Jahrzehnten von den Internationalen Spielplänen praktisch verschwunden ist. Peter Sommeregger berichtet aus dem Konzerthaus Berlin.
Klassik-begeistert „Die FREITAG-PRESSE – 21. FEBRUAR 2020“ weiterlesen

„Das Wiener Staatsballett zu übernehmen ist ein großer, fantastischer Schritt mit großer Verantwortung“

Foto: © Gert Weigelt

Interview am Donnerstag 4: Der Balletttänzer und -Choreograph Martin Schläpfer

von Ira Werbowsky (onlinemerker.com)

Zum 1. September startet Martin Schläpfer als Direktor des Wiener Staatsballetts. Der Schweizer tritt damit die Nachfolge von Manuel Legris an, der aus eigenen Stücken diese Position zurücklegt. Somit beginnt mit Bogdan Roščić als Direktor der Wiener Staatsoper und im Ballett mit Martin Schläpfer eine neue Ära.

Der gebürtige Appenzeller, der zunächst Geige und Eiskunstlauf lernte, begann relativ spät mit dem Ballettstudium – zunächst in St. Gallen und dann an der Royal Ballet School in London, wofür er ein Stipendium erhalten hatte, als er 1977 beim Prix de Lausanne den Preis als „Bester Schweizer Tänzer“ errang. Er war Solotänzer im Basler Ballett unter Heinz Spoerli und tanzte als Principal Dancer im Royal Winnipeg Ballet in Canada. 1990 gründete er die Ballettschule Dance Place in Basel, die er leitete, bis er 1994 als Direktor des Berner Balletts berufen wurde. Nach fünf Jahren in Bern leitete er dann 10 Jahre lang das von ihm neue formierte ballettmainz. Mit der Spielzeit 2009/10 wechselte er als Ballettdirektor und Chefchoreograf ans Ballett am Rhein nach Düsseldorf. Auch hier erlangte die Balletttruppe unter seiner Führung einen Aufschwung und etablierte sich als eine der besten Compagnien in Europa. Seiner Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass Düsseldorf Duisburg ein neues Balletthaus bekam – ein Grund, warum Martin Schläpfer für das Staatsballett Berlin absagte, als die Nachfolge von Vladimir Malakhov zu besetzen war. „Interview am Donnerstag 4: Martin Schläpfer, Ballettdirektor“ weiterlesen

"Tosca" in München: Josef Calleja singt in Top-Form

Bayerische Staatsoper, 17. Februar 2020
Giacomo Puccini, Tosca
Foto: Der Malteser Tenor Joseph Calleja (c)

von Ralf Wegner

Zu schön, um wahr zu sein: „Tosca“ habe ich wohl knapp zwei Dutzend Mal gesehen; dieses Schauerdrama macht nicht  müde: Eine exaltierte eifersüchtige Primadonna opfert sich vergeblich einem brutal sadistischen Polizeichef, der ihren Geliebten, einen freiheitssüchtigen Maler, erschießen lässt.

Die weiteren Personen tragen zur Handlung nur unwesentlich bei und wurden von Puccini musikalisch entsprechend  benachteiligt. Wo Verdis Gesang Tiefenspannung zeigt, bleibt Puccini eher an der Oberfläche, aber an was für einer. Kaum ein Komponist hat so schön wie Puccini für die menschliche Stimme geschrieben. Und der Bayerischen Staatsoper war es auch gelungen, mit der Sopranistin Anja Harteros, dem Tenor Josef Calleja und dem Bassbariton Erwin Schrott drei herausragende Vertreter ihres Fachs für die Partien der Floria Tosca (die Sängerin), des Mario Caravadossi (der Maler) und des Baron Scarpia (Polizeichef) zu gewinnen. „Giacomo Puccini, Tosca,
Bayerische Staatsoper, 17. Februar 2020“
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Mascagnis „Iris“ – eine Oper ohne Liebe

Konzerthaus Berlin, 18. Februar 2020
Pietro Mascagni, Iris, konzertante Aufführung

Iris  Karine Babajanijan
Osaka  Samuele Simoncini
Kyoto  Ernesto Petti
Der Blinde  David Ostrek
Eine Geisha  Nina Clausen
Ein Lumpensammler  Andres Moreno Garcia
Chor und Orchester der Berliner Operngruppe e.V.
Dirigent  Felix Krieger

von Peter Sommeregger

Seit bereits zehn Jahren macht sich die Berliner Operngruppe um die Ausgrabung vergessener Opern verdient. Unter der künstlerischen Gesamtleitung von Felix Krieger wurden seit 2010 Werke von Verdi, Donizetti, Bellini und Puccini halbszenisch aufgeführt, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Platz im Repertoire gefunden haben.

Ein solcher Fall ist das Geisha-Drama „Iris“, das trotz großen Erfolges bei der Uraufführung 1898 schon seit Jahrzehnten von den Internationalen Spielplänen praktisch verschwunden ist. Von Mascagnis insgesamt 16 Opern konnte sich dauerhaft nur der Erstling Cavalleria Rusticana im Repertoire halten. Das ist schwer verständlich, weil die musikalische Substanz der „Iris“ alle Zutaten für einen veristischen Reißer hat. Mit einer Ausnahme vielleicht: In dieser Oper gibt es keine Liebenden, trotz heftigster Emotionen, Liebe ist keine dabei. Was naturgemäß dazu führt, dass emotional eine Dimension fehlt, und es natürlich auch kein Liebesduett gibt. „Pietro Mascagni, Iris, konzertante Aufführung,
Konzerthaus Berlin, 18. Februar 2020“
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